ContraKonsum ersetzt keine politischen Entscheidungen
Die Anbieter von scheinbar “grüner“ Energie sind zahlreich und unüberschaubar. Um den Klimawandel aufzuhalten, braucht es jedoch gesetzliche Rahmenbedingungen und die Unterstützung aller. Individuell verändertes Konsumverhalten reicht nicht.
Im Jahr 2017 gab es laut einer Marktanalyse des Umweltbundesamts (UBA) 1.157 Ökostromprodukte von 921 verschiedenen Anbietern. Sie warben mit den Schlagworten „grüne Energie“, „Nachhaltigkeit“, „öko“. Darüber hinaus „günstig“ zu sein versprechen die Angebote, die von Aldi Grünstrom bis Green Planet Energy (ehemals: Greenpeace Energy) reichen.
Ökostrom hin oder her: Aus der Steckdose kommt der gleiche Strom wie bei den Nachbarn, die ohne ökologisches Gewissen durch den Tag kommen. Und der Bezug von einem beliebigen Ökostromanbieter trägt auch nicht automatisch zur Energiewende bei. Diese hängt am Ende vielmehr davon ab, welchen ernsthaften Anbieter man wählt. Letztlich investiere nur eine Handvoll der Unternehmen in den tatsächlichen Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland, kritisiert die Umweltschutzorganisation Robin Wood. Stattdessen kaufen – im schlimmsten Fall – konventionelle Stromanbieter sogenannte Herkunftsnachweise für Ökostrom aus dem europäischen Ausland (vor allem aus Skandinavien) und verkaufen ihre Kohle- oder Atomenergie dann als „grün“. Durch diese Form des Greenwashings wird in Deutschland selbst weiterhin fossile und nicht zusätzlich regenerative Energie produziert. Das ändert nichts am Status quo, der bekanntermaßen zu einer Klimakatastrophe führen wird.
Besser weniger Strom verbrauchen
Man könnte meinen, wer Ökostrom bezieht, dürfe beliebig viel Strom verbrauchen. So eine freundlich-zugewandte Haltung findet sich bei E-Autos, betrieben mit Ökostrom, die als klimafreundlich bezeichnet und staatlich bezuschusst werden, etwa in Form der Kaufprämie „Umweltbonus“, die bis zu 9.000 Euro beträgt. Dabei gerät in Vergessenheit, dass für die Produktion von Anlagen und Autos ebenfalls Emissionen ausgeschieden und leider auch Menschenrechte missachtet werden, wie etwa in China bei der Förderung von seltenen Erden. Da ist doch die beste Konsumentscheidung: Weniger Strom verbrauchen und zurückkehren zur echten grünen Mobilität, nämlich Fahrradfahren und zu Fuß gehen.
Wenn das Ziel „100 Prozent erneuerbare Energien“ erreicht werden soll, darf der Wandel nicht von einzelnen Stromverträgen mit Privathaushalten abhängen. Diesen voranzubringen haben nicht allein Konsumentinnen und Konsumenten in der Hand. Schließlich können sie nur über ihren eigenen Verbrauch bestimmen und das nur im Rahmen der angebotenen Möglichkeiten. Die Zahlen sprechen ohnehin für sich selbst: Industrie (45%) und der Gewerbe-, Handels- und Dienstleistungssektor (27%) verbrauchten laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft im Jahr 2020 deutlich mehr Strom als private Haushalte (26%), gefolgt vom Verkehrssektor (2%). Um alle Bereiche zu umfassen, braucht es zukunftsgerichtete gesetzliche Rahmenbedingungen, echten Transformationswillen und eine Förderung erneuerbarer Energien auf allen politischen Ebenen, von der europäischen bis zur lokalen. Grüner Konsum allein (und nur auf individueller Ebene) kann grundlegende politische Entscheidungen nicht ersetzen.
Zielkonflikte beachten
In der aufgeheizten Klimaschutz-Debatte verschärfen sich die Fronten und es scheint nur noch ein „für“ und „wider“ erneuerbare Energien zu geben. Dabei sind erneuerbare Energien – Achtung! – sowieso kein Allheilmittel. Auch sie haben Vor- und Nachteile in Bezug auf Umweltschutz; es herrschen längst bekannte Zielkonflikte. Letztere könnten bei sorgfältiger Planung vermieden werden. So fordert der Naturschutzbund Deutschland (NABU) eine „naturverträgliche Energiewende“, damit nicht etwa Windkraftanlagen zu einem Risiko für Greifvögel wie den Rotmilan werden. Deshalb ist es wichtig, dass genügend Abstand zwischen den Anlagen und Vogelvorkommen besteht.
Und, wie sinnlos ist es, für den Bau von Windrädern Wald zu roden, wie es zum Beispiel in Hessen geschieht? Schließlich speichern Wälder Treibhausgase und tragen so dazu bei, den Klimawandel aufzuhalten. Auch Wasserkraft wird oft als eine Form der regenerativen Energien bezeichnet. Dabei ist sie nicht zwingend klimaschützend. So können zwar laut Greenpeace kleine Anlagen im fließenden Wasser emissionsfrei Energie erzeugen; in Stauseen entsteht jedoch beim Zersetzen von organischen Materialien wie Blättern und Zweigen Methan, also das Treibhausgas, das 25-mal schädlicher ist als Kohlenstoffdioxid. Zugegeben, aktuell ist die Energiewende ein wichtiges Mittel, um den Klimawandel aufzuhalten. In Zukunft wird es aber vielleicht noch nachhaltigere Methoden geben. Müssen.
Nachhaltig bedeutet nicht nur ökologisch
Nachhaltigkeit wird viel beschworen, aber was bedeutet das eigentlich? Eine heute noch oft verwendete Definition stammt von der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen (kurz: Brundtland-Kommission) aus dem Jahr 1987 und lautet: „Nachhaltige Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“ Dies beinhaltet vor allem die Verbindung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten.
In Deutschland versteht man unter nachhaltig meistens nur ökologisch. Die Forderung nach „grünem Strom“ fokussiert allein auf dem ökologischen Aspekt von Nachhaltigkeit. Dabei können soziale Fragen nicht einfach vernachlässigt werden; die Beschäftigten in der Kohleindustrie brauchen nach dem Kohleausstieg eine berufliche Perspektive. Was Nachhaltigkeit am Ende des Tages ist, ist komplex. Noch schwerer wiegt der Druck, diese Nachhaltigkeit auch noch umzusetzen. Denn Ideale sind utopisch und die noch unausgesprochenen Interessen künftiger Generationen nur erahnbar. Für eine nachhaltige Zukunft gibt es also ganz sicher nicht den einen „Schlüssel“, sondern viele Stellschrauben, an denen parallel gearbeitet werden sollte.