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DebatteMaut für deutsche Innenstädte ein Muss?

Von Camilla Lindner / 28. Juni 2019
picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Channi Anand

Staus, zugeparkte Fußwege, verschmutze Luft – das ist Alltag in den Städten. Seit diesem Frühjahr wird in Deutschland wieder über alternative Verkehrskonzepte diskutiert und die Frage, ob eine Gebühr die Situation verbessert.

Montagmorgen. Eine mittelgroße Stadt in Deutschland. Unterwegs: E-Roller, Fahrrad, Bahn und Bus. Da fehlt doch was? Stimmt: Autos!

Das Szenario einer autofreien Stadt gleicht 2019 einer Utopie. Die Straßen werden immer voller, mehr als jede/r zweite Bundesbürger/in besitzt heute ein Auto. Für ein Umdenken in der Verkehrspolitik appellierte im Februar dieses Jahres die Berliner Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Regine Günther (Bündnis 90/Die Grünen). Die von ihr in Auftrag gegebenen Studie „Autofreier Wrangelkiez“ soll die Umsetzbarkeit prüfen und „modellhaft untersuchen, wie wir den Straßenraum in Lebensraum für die Anwohnerinnen und Anwohner verwandeln können“, so die Senatorin.

Günthers Ideal: „Wir möchten, dass die Menschen ihr Auto abschaffen.“ Für diesen Satz erntete die Senatorin massive Kritik. Zwei Monate später setzt sie das Thema City-Maut auf die Agenda und stößt damit eine breite öffentliche Diskussion an.

Wie genau funktioniert eine Maut?

Städte wie London, Stockholm, Mailand oder Singapur nutzen die City-Maut schon seit Jahren. New York will sie ab 2021 einführen.

„Maut“ bezeichnet die Erhebung von Gebühren für die Nutzung öffentlicher Straßen. Die Gebühren werden nach der zurückgelegten Strecke als Maut oder als zeitabhängiger Pauschalbetrag in Form einer Vignette erhoben.

Bei der City-Maut handelt es sich um eine flächenbezogene Maut. Autos werden bei der Einfahrt in das Stadtgebiet registriert, indem das Nummernschild von Kameras erfasst wird. In Stockholm ist die Mautzone knapp 35 Quadratkilometer groß. Einen von 18 Kontrollpunkten zu überqueren, kostet Autofahrende ein bis zwei Euro und maximal sechs Euro pro Tag. Am Ende des Monats erhalten die registrierten Fahrzeughaltenden eine Rechnung über die komplette Summe zur Überweisung.

In London hingegen wird die 44 Quadratkilometer große Zone seit 2003 mit einer Tagesgebühr von knapp dreizehn Euro belegt. Durch diese Maßnahme konnte der private Pkw-Verkehr bis 2014 um 39 Prozent reduziert werden. Allerdings stieg zugleich die Nutzung von Black Cabs (Taxis) oder sogenannten Minicabs des Unternehmens Uber, die bisher von Mautgebühren befreit waren. Seit April fallen allerdings auch für Minicabs Mautgebühren an, während Black Caps weiterhin kostenfrei fahren.

Wichtig: Maut- und Vignettengebühren dürfen zu keiner unterschiedlichen Behandlung aufgrund von Staatsangehörigkeit führen. Der Antrag der Bundesregierung einer Pkw-Maut für Ausländer scheiterte aus diesem Grund jüngst vor dem Europäischen Gerichtshof.

Dass eine City-Maut Stau verringern kann, zeigt sich wiederum an Stockholm. 2006 testete die schwedische Hauptstadt sieben Monate lang ihr Maut-System und ließ danach per Referendum darüber abstimmen. 52 Prozent der Wählerinnen und Wähler stimmten für die Maut, seit 2007 ist sie in Betrieb. Die Stauwahrscheinlichkeit sank um 30 – 50 Prozent. Zudem konnten die CO2-Emissionen zwischen 10 und 14 Prozent reduziert werden, ähnlich wie in Singapur (10-15 Prozent) und London (16 Prozent). Eine wichtige Prämisse für die Reduktion der Autofahrten ist dabei ein gut ausgebauter ÖPNV.

City-Maut statt Diesel-Fahrverbot

Dominiert wird die verkehrspolitische Debatte momentan durch die Erwägung eines Diesel-Fahrverbotes. Eine City-Maut sei allerdings Forscherinnen und Forschern des Leibniz- Instituts für ökologische Raumentwicklung und der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur zufolge aus ökonomischer Sicht einem Diesel-Fahrverbot vorzuziehen, das nur eine Minderheit träfe. Eine City-Maut könnte auch zu einer Steuerung und Reduktion des Diesel-betriebenen Verkehrs führen. Autos mit hoher Schadstoffklasse haben dann einen höheren Mauttarif zur Folge als jene mit niedrigem Schadstoffausstoß.

„Das bedeutet, je voller die Straßen und je belasteter die Luft, desto höher die Maut. Der entscheidende Punkt aber ist: Mit der City-Maut haben die betroffenen Menschen eine Wahl. Sie können selbst entscheiden, ob ihnen die Fahrt ins Stadtzentrum mit dem eigenen Pkw so viel wert ist oder ob sie nach Alternativen suchen“, meint Prof. Dr. Martin Kesternich, stellvertretender Leiter des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) aus dem Forschungsbereich Umwelt und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement.

Akzeptanz in der Bevölkerung

„Weg mit der Schnapsidee!“ titelte der ADAC auf seiner Homepage gegen die City-Maut. Dass die verkehrspolitische Auseinandersetzung stark durch emotionale Grundsatzdebatten geprägt ist, erschwere eine Diskussion über eigentliche Verkehrspolitik, konstatiert das ZEW.

Eine ablehnende Haltung kann aber nach Einführung der City-Maut in gesellschaftliche Zustimmung umschlagen, wie sich am Beispiel Stockholm beobachten lässt. Die negative mediale Berichterstattung sank in der Testphase von 39 auf 22 Prozent, während die positive Berichterstattung von 3 auf 42 Prozent stieg.

Ob deutsche Städte die City-Maut einführen und wenn ja, in welcher Form, wird bislang den Kommunen überlassen. Ausschlaggebend für die Wahl eines Instrumentes sei letztendlich die Akzeptanz in der Bevölkerung, so Hauptgeschäftsführer der Vereinigung Deutscher Städtetag Helmut Dedy.



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