ProNotwendig und nützlich
Grundsätzlich halte ich Altersgrenzen gar nicht für immer sinnvoll. Es kommt auf individuelle Einstellungen und Gegebenheiten an, auch gesellschaftliche Veränderungen spielen eine Rolle. Dennoch: Es gibt Sachverhalte, bei denen altersbedingte Einschränkungen sogar notwendig sind.
Beim Versuch, Argumente für einen altersmäßig passenden Umgang zu finden, bin ich in Gesetzestexten fündig geworden. Ich verrate also kein Geheimnis, wenn ich mich vor allem auf offizielle Regelungen beziehe. In ihnen drückt sich aus, wann die Kategorie Alter von gesellschaftlicher Bedeutung ist und damit Eingang in administrative und juristische Einigungsprozesse findet.
Altersgrenze als Beurteilung der Reife
Es gibt wesentliche Lebensbereiche, in denen für Jugendliche eine Altersgrenze geboten ist und bleiben sollte. Diese Bereiche regelt das sogenannte Jugendschutzgesetz, welches beispielsweise vorsieht, dass Jugendliche erst ab 16 Jahren in die Disko dürfen und Alkoholkonsum bis auf Wein und Bier erst ab 18 Jahren gestattet ist.
Letztlich ist dies zwar eine gesellschaftliche, in Gesetzesform gegossene Übereinkunft. Allerdings macht die Beschränkung auch aus wissenschaftlicher Perspektive Sinn, da Alkohol ein Nervengift ist und sich insbesondere bei Jüngeren negativ auf die noch nicht abgeschlossene Entwicklung des Gehirns auswirken kann. Der Gesetzgeber geht hier also davon aus, dass ein Jugendlicher bis zu einem bestimmten Alter nicht selbst die komplette Verantwortung für sich übernehmen kann und sollte.
Natürlich gibt es Jugendliche, die schon früh sehr gewissenshaft handeln können. Da aber eine individuelle Beurteilung der geistigen Reife im Maßstab eines Landes nicht möglich ist, braucht es eine allgemein definierte Grenze. Das Lebensalter ist eine pragmatische, einfache Methodik, die nur einer Prüfung des Personalausweises bedarf.
Minimierung des Verwaltungsaufwandes
Und damit sind wir auch schon beim nächsten wichtigen Argument. Um das nochmal zu betonen: Die Altersgrenze ist eine verwaltungstechnische Notwendigkeit, die die Funktionsfähigkeit des Staates gewährleistet. Auf der Basis eines bestimmten, rechtlich gesetzten Alters gibt es Regeln und Verfahren, wie mit diesen Altersstufen umzugehen ist. Ob eine Person mündig ist und damit eigenständig handeln kann, das ist (im Normalfall) ohne individuelle, aufwendige Prüfung möglich.
Eine Frage der Demografie
Das Alter als Reifekriterium findet auch beim Wahlgang Anwendung. Bei Bundestagswahlen darf man erst ab der Volljährigkeit wählen. In manchen Bundesländern, wie beispielsweise in Brandenburg, ist bereits mit 16 Jahren eine Teilnahme an Landtagswahlen möglich.
Wissenschaftliche Untersuchungen wie die Studie „Wie Wählen ab 16 die Demokratie stärken kann“ der Bertelsmann Stiftung haben letztes Jahr gezeigt, dass 16-Jährige bereits über ausreichend politisches Wissen verfügen und sich des Einflusses ihrer Stimme und damit ihrer Verantwortung bewusst sind. Und: Fehlen die Stimmen der Jüngeren, fehlt auch eher die Repräsentation ihrer Interessen im Bundestag. Was durchaus problematisch ist, da Kinder und Jugendliche aus demografischer Sicht generell wenig Interessensvertretung haben.
Eine politische Debatte über das Wahlalter bleibt wichtig und eine Verringerung des Wahlalters wissenschaftlich zu begründen, kann sinnvoll sein. Was aber nicht heißt, dass Altersgrenzen noch oben hin an und für sich überholt sind.
Renteneintrittsalter als Schutzschild
So ist die Festlegung eines Renteneintrittsalters vernünftig, da es politischen Kräften, meist konservativen oder liberalen, eine Grenze der Verfügbarkeit von menschlicher Arbeitskraft aufzeigt.
Für ein menschenwürdiges Leben braucht es Politik, die die Arbeitsausübung einschränkt. Dies tut sie zum Beispiel durch gesetzlich vorgeschriebene Arbeitsrechte, konkret auch durch das Renteneintrittsalter. Der Ruf nach dessen Erhöhung und/oder seiner Flexibilisierung scheint wieder Hochkonjunktur zu haben. Gesellschaftliche Veränderungen (höhere durchschnittliche Lebenserwartung), aber auch wirtschaftliche Faktoren (anhaltender Fachkräftemangel) spielen hier eine Rolle.
So führen konservative Politiker den demografischen Wandel an als Begründung für die angeblich unumgehbare Verschiebung des Renteneintrittsalters nach hinten. Länger arbeiten, um mehr zum (nicht: vom!) Leben zu haben, zielt auf eine finanzielle Besser- beziehungsweise Sicherstellung. Angesichts des großen, nur sehr unfair verteilten Wohlstands in Deutschland scheint eine solche Argumentation absurd. 2020/21 gingen laut Oxfam 81 Prozent des Vermögenszuwachses an das reichste Prozent. Anstatt über eine Umverteilung des Reichtums zu verhandeln, gibt es Rentenflexibilisierungsforderungen.
So trocken diese Aufzählung erscheinen mag: Unterm Strich scheint das Alter das geeignetste vergleichbare Maß für eine einheitliche Grenzziehung zu sein. Dabei sollten die jeweiligen Altersgrenzen kontinuierlich auf ihre Angemessenheit hin überprüft und an die demografischen Veränderungen angepasst werden.