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Sex, Tabus und Initiativen

Von Zita Hille / 21. Februar 2024
picture alliance / blickwinkel/McPHOTOs | McPHOTOs

Ich erinnere mich noch ganz genau an meinen Sexualkundeunterricht: In acht Jahren weiterführender Schule gab es eine einzige Schulstunde, in der einer Banane(!) ein Kondom übergezogen wurde – das war’s.

Doch jetzt geht es endlich wieder um: SEX!

Na, habe ich deine Aufmerksamkeit? Kein Wunder, denn „sex sells“ immer und überall.Aber obwohl Sex ein Thema ist, mit dem sich viele, vor allem junge Menschen intensiv beschäftigen, wenn sie ihren eigenen und die Körper anderer entdecken und Erfahrungen sammeln, ist kein Thema mit so vielen Tabus und Scham verbunden, wie dieses. Insbesondere, wenn es um sexuell übertragbare Krankheiten geht.

Krankheiten? Halt, nicht aussteigen, weiterlesen!

Zumindest bei mir waren Geschlechtskrankheiten von der ersten bis zur Abiturklasse nie ein Thema. Dass es Aids gibt, wusste ich, und dass es auch deswegen wichtig ist, mit Kondom zu verhüten, ebenfalls. Aber dass es andere Geschlechtskrankheiten gibt und dass man vor einigen trotz Kondom nicht geschützt ist, erfuhr ich erst später auf eigene Initiative.

Fehlendes Bewusstsein für Ansteckungen

„Sexuell übertragbare Infektionen, also STI, haben zum Teil auch heute noch ein Schmuddel-Image“, berichtet Diana Schulz, Sprecherin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). „Dass sich jeder sexuell aktive Mensch mit einer STI anstecken kann, muss in jeder Generation immer wieder neu gelernt werden.“ Eine Onlinebefragung der BZgA in der Zielgruppe von 18 bis 30 Jahren zeigt, dass zum Beispiel über 90 Prozent der Befragten davon ausgehen, selber nicht von einer Chlamydien-Infektion betroffen sein zu können. Was in deutlicher Diskrepanz zur tatsächlichen Verbreitung stehe, warnt Schulz. „Die Chlamydien-Infektion gehört zu den häufigsten STI in dieser Altersgruppe.“

Diana Schulz (Foto: Carsten Kobow)

Das von Schulz beklagte „Schmuddel-Image“ kann Holger Wicht, Pressesprecher der Deutschen Aidshilfe, bestätigen: „Bei STI werden schnell Unterstellungen über die Sexualität der jeweiligen Person gemacht. Da ist jemand dann ‘unverantwortlich‘ oder eine ‘Schlampe‘. Oder es kommen, so wie bei HIV, sogar Mutmaßungen über die sexuelle Orientierung ins Spiel.“ Dagegen helfe Aufklärung und offene Kommunikation über Geschlechtskrankheiten. „STI sollten wir als das betrachten, was sie sind: Ein Ärgernis, das einfach auftreten kann, wenn Menschen Sex haben. Den Spaß sollte sich davon niemand verderben lassen. Und am allerwenigsten sind Geschlechtskrankheiten ein Grund, jemanden zu verurteilen.“

Es erkranken nämlich mehr Menschen in ihrem Leben an einer STI, als mancher vielleicht vermuten würde: 2022 steckten sich dem Robert Koch-Institut zufolge in Deutschand 15.990 Menschen mit Hepatitis B an, 5.785 mit Syphilis und 2.013 infizierten sich mit dem HI-Virus. Auch die Infektionshäufigkeit mit Gonorrhö (Tripper) und Chlamydien ist im vergangenen Jahr in Deutschland jeweils deutlich gestiegen.

Was tun, wenn’s unten juckt?

Doch was tut man, wenn man im Genitalbereich etwas Ungewöhnliches oder Unangenehmes feststellt? „Da STI sehr unterschiedliche Anzeichen haben und durch verschiedene Krankheitserreger wie Bakterien, Viren oder Parasiten hervorgerufen werden, ist es wichtig, den richtigen Erreger zu erkennen und eine entsprechende Behandlung zu finden – das kann nur eine Ärztin oder ein Arzt“, betont BZgA-Sprecherin Schulz. „STI können sehr gut behandelt werden und oft auch komplett geheilt. Wichtig ist, auch die Sexpartnerin oder den Sexpartner zu informieren. So gibt man ihnen die Möglichkeit, sich rechtzeitig testen und gegebenenfalls behandeln zu lassen.“

Holger Wicht (Foto: Deutsche Aidshilfe/Tanja Schnitzler)

Vorsicht ist in jedem Fall geboten, denn nicht alle STI zeigen deutliche Symptome. Und manche wiederum verschwinden von alleine, obwohl die Infektion weiter besteht und Schaden anrichten kann. „Im Zweifel checken lassen!“, zitiert Pressesprecher Wicht den Appell der Aidshilfe.

„Wie siehst du das?“

Schön und gut, denkst du vielleicht. Und wie löst man das Problem mit der offenen Kommunikation bei einem derart schambehafteten Thema? Schulz sieht die Lösung in: Wissen. „Je besser man über STI informiert ist, desto leichter ist es auch, darüber zu reden. Desto eher weiß man, dass sexuell übertragbare Infektionen häufig vorkommen, sich viele Menschen im Laufe ihres Sexlebens mit einer STI anstecken und auch, dass STI alle betreffen können.“ Wichtig sei es, sich Zeit für das Gespräch zu nehmen und den richtigen Einstieg zu finden, um über alle Fragen und Ängste sprechen zu können. „Je nachdem, was für ein Verhältnis zum Gegenüber besteht, lässt sich das Thema sogar mit Humor verbinden und locker angehen.“

Immer gut also: Offenheit signalisieren. „Ich respektiere deine sexuellen Bedürfnisse und Handlungen und urteile nicht darüber.“ Sowas könne dann kommen, sagt Wicht. Allein, dass man sich darüber austausche, ist Wicht überzeugt, mache deutlich, dass Sexualität ein Thema sei, über das eben geredet werden könne. „Ich denke viel über folgende Frage nach, wie siehst du das?“ oder „Ich habe gelesen, dass… Was denkst du?“ – solche Formulierungen erleichterten die Auseinandersetzung mit dem konkreten Thema und dem Gegenüber.

Weitere Möglichkeiten, sich beraten zu lassen, informiert zu werden oder auch Tests zu machen, gibt es direkt bei den Beratungsstellen der Deutschen Aidshilfe und der BZgA. Wer mag, erstmal auch nur online. Etwa auf der Website der Aidshilfe-Kampagne „ICH WEISS, WAS ICH TU“: Die Community- und Informationsplattform richtet sich an schwule und bisexuelle Männer. Oder durch die BZgA-Initiative LIEBESLEBEN der spielerischen „Hautnah“-Kampagne. Dort informieren „Die Infektastischen STI“: Trippo Tripper, Feig Feigwarze, Chlam Chlamydie, Hepp Hepatitis und Philis Syphilis. Ganz ohne Banane.

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