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Wenn Tierliebe für Tiere zur Qual wird 

Von Patricia Kutsch / 7. August 2019
Foto: Patricia Kusch

Sie sehnen sich nach mehr als acht Stunden Zuwendung am Tag, können lieben und eifersüchtig sein, schätzen einen Partner. Papageien haben viele Bedürfnisse. Die Vogelburg Weilrod in Hessen kümmert sich um solche Tiere, die ein neues Zuhause brauchen.

Millionen Deutsche umsorgen ihren Hund, schmusen mit ihrer Katze, schauen dem Wellensittich beim Flattern zu oder erfreuen sich an den Goldfischen im Aquarium. Rund 34 Millionen Haustiere sollen in Deutschland leben. In 14,8 Millionen Haushalten gibt es Katzen; Hunde finden sich bei 9,4 Millionen Haltern. So mancher lebt aber auch gerne mit exotischen Tieren wie einem Leguan, einer Baumpython oder einem Krokodil. Gerade die Exoten sind in deutschen Wohnzimmern aber oft nur schwer zu halten. Füttern, streicheln, gernhaben allein reicht nicht für ein artgerechtes Leben. Das bekommen auch Papageien oft zu spüren – und können unter der falsch dargebrachten Tierliebe ein Leben lang leiden.

Papageien sind beliebte Haustiere: farbenfroh, intelligent und gelehrsam. Sie können Sprechen lernen und eine persönliche Beziehung zu ihrem Halter aufbauen. Seit Jahrzehnten macht sie dies auch bei Vogelfreunden in Deutschland zu beliebten Mitbewohnern. Und nicht nur hier: Es leben heute mehr Papageien in der Obhut von Menschen als in freier Natur. Schon in der Antike wurden Papageien als Haustiere gehalten, im Mittelalter galten sie als Sinnbild für Luxus.

Psychische Folgen bei falscher Haltung

Papageienvögel leben in der freien Wildbahn in großen Schwärmen, haben ein ausgeprägtes Sozialverhalten und schätzen ausreichend Platz um sich herum zum Fliegen. Können sie aber nicht einmal ihre Flügel richtig schwingen und werden falsch ernährt, hat das für die schönen Tiere schnell negative Folgen. Wenn sie anfangen, ihr buntes Gefieder zu rupfen oder dauerhaft lärmend zu schreien, können das erste Anzeichen für eine psychische Störung sein.

Erkennen Halter diese Anzeichen nicht oder deuten sie falsch, bedeutet das für die Tiere im Zweifel ein langes Leiden. Papageien sind langlebige Geschöpfe. Große Papageienarten wie der Ara können nicht selten 50 Jahre alt werden. Manche überleben also ihre Besitzer.

Idyllisches Heim in Hessen

Falsche Haltung, Verhaltensstörungen und das hohe Alter der Tiere kombiniert haben sich in vielen Fällen zu einem Problem ausgewachsen, das in Deutschland zu vielen Auffangstationen und Ruhesitzen für Papageien geführt hat. Heute engagieren sich überregional zahlreiche Menschen ehrenamtlich, um den bunten Vögeln zu helfen, von denen viele in den Auffangstationen oft zum ersten Mal auf ihre Artgenossen treffen.

Die Vogelburg Weilrod im Naturpark Hochtaunus ist eine solche Anlaufstelle. Mitten in Hessen, idyllisch am Wald gelegen, wirkt die Vogelburg tatsächlich wie eine Burg: Riesige, gemauerte Voliere wirken wie Fragmente oder Ruinen einer echten antiken Befestigungsanlage. Ausgestattet sind die großzügigen Vogelkäfige mit natürlichen Materialien: echten Bäumen, Ästen und Pflanzen als natürliche Sitzgelegenheiten. Hier erfahren viele Papageien erstmalig, was es heißt, als Teil eines Schwarms zu existieren, verpartnern sich und entwickeln so ihren ganz eigenen Charakter neu. Sie werden liebevoll gepflegt, zu passenden Gefährten gesetzt und gewöhnen sich im besten Fall ihre Stressangewohnheiten wieder ab.

Der 1981 gegründete, privat betriebene Park gilt vielen Besuchern als kleine Oase. Die Vögel wirken gesund und scheinen sich unter diesen Umständen wohl zu fühlen. Es finden sich unter den 700 Tieren dort solche, die in Weilrod einen ruhigen Lebensabend verbringen oder aber nur vorübergehend zur Pflege als „Pensionsgast“ ein Plätzchen brauchen, etwa zur Urlaubszeit. Zugängliche Tiere können die Besucher aus nächster Nähe anschauen oder deren erlernte Tricks bestaunen. Der Park berät Vogelhalter außerdem und vermittelt geeignete Vögel in neue Hände.

Papageien zeigen ganz unterschiedliche Charaktere

Während der täglichen Öffnungszeiten jetzt im Sommer will auch ich mir die Voliere genauer anschauen. Scheue, ängstliche Tiere finden ihr Zuhause in ruhigeren Volieren, die Besuchern nicht offen stehen. Beim Betreten der ausgestellten Käfige landen mir zutrauliche und überraschend schwere Papageien auf der Schulter. Die frechen Exemplare haben mir das Vogelfutter direkt aus der Tüte stibitzt. Ein Ara hat einem anderen Besucher gleich die ganze Tüte aus der Hand genommen, geschickt die untere Spitze aufgeknabbert und sich so einen kleinen Futterspender „gebastelt“, aus dem sich nach und nach die Körner und Samen picken lassen.

Kleine Hinweisschilder stellen die Tiere den Besuchern mit ihren jeweiligen charakterlichen Besonderheiten vor. Freddy etwa mag Ohrringe und hat ein Faible hat für alles, was schimmert und glänzt. Hier habe ich also lieber meine Ohrringe abgenommen – und die Armbanduhr auch. Was nicht sicher war: Mein Kameragurt. Den hat ein anderer Papagei in Sekundenschnelle durchgenagt. Dass die richtigen Leckereien sich anderswo befinden, hat diesen draufgängerischen Typen hoffentlich nicht daran gehindert, sich über unsere Begegnung zu freuen.

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