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DebatteSchleierhaft

Von Alex Wolf / 26. August 2016
picture alliance/KEYSTONE | PABLO GIANINAZZI

Burka, Niqab und mittlerweile auch der Burkini: Die Debatte über die Vollverschleierung in der Öffentlichkeit lotet die Grenzen von Religionsfreiheit aus – handelt es sich beim geplanten Teilverbot der Burka um reine Symbolpolitik oder um einen notwendigen Schritt in Richtung einer zukunftsfähigen Einwanderungsgesellschaft?

Die Burka – ein kultureller Außenseiter

Während bei einer Burka das gesamte Gesicht bis zur Unkenntlichkeit verschleiert ist, bleibt bei der Niqab die Augenpartie unbedeckt. Nach Schätzungen liegt die Zahl von Burka-Trägerinnen in Deutschland im oberen dreistelligen Bereich, offizielle Statistiken darüber liegen nicht vor.

Nicht unbedingt muss eine Burka der Ausdruck eines abwertenden Frauenbildes sein, sondern kann als Symbol für eine bewusste Abgrenzungstehen. In diesem Falle verzichten Burka-Trägerinnen auf eine eigene (öffentliche) Identität und verschreiben sich vollends der gleichgesinnten Glaubensgemeinschaft. Nach dem westlichen Werteverständnis müsste legitim sein, sich nicht in jedem Bereich mit den Werten der Mehrheitsgesellschaft zu identifizieren. Soweit die Theorie.
Hier muss in einem offenen Dialog, auch unter Einbezug muslimischer Verbände erörtert werden, ob diese Grundüberzeugung gesetzlich geschützt werden sollte. Auch viele Vertreter_innen eines „modernen Islam“ sehen die Burka skeptisch, da kein explizites Gebot im Koran die Vollverschleierung vorschreibt und diese mitunter als großes Integrationshemmnis gesehen wird. Diese Frage hinreichend zu erörtern – vor dieser Aufgabe steht die öffentliche Diskussion. Doch schon jetzt gibt es in Deutschland bestimmte Situationen, in denen die Vollverschleierung untersagt ist.

Vollverschleierung ist nicht überall erlaubt

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat 2014 geurteilt, dass ein staatliches Verbot von Vollverschleierung nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Theoretisch wäre ein generelles Verbot somit möglich. Doch in Deutschland wäre dies nach Auffassung vieler Expert_innen verfassungswidrig. Dennoch gibt es bereits jetzt Situationen, in denen die zuständigen Behörden von den Frauen verlangen können, die Verschleierung abzulegen. Dies gilt für das alltägliche Zusammenleben, wenn das Gesicht des Gegenübers gesehen und identifiziert werden muss: Bei der Sicherheitskontrolle auf dem Flughafen, einer Zeugenaussage im Gericht oder beim Autofahren.Arbeitgeber haben ein grundsätzliches Direktionsrecht, mit dem sie ihren Arbeitnehmer_innen weitreichende Vorschriften über eine angemessene Arbeitskleidung machen können. Sofern es sich um Tätigkeiten handelt, bei denen direkter Kundenkontakt erforderlich wird, haben Burka-Trägerinnen nur geringe Aussichten vor Gericht, ihr Recht auf Verschleierung durchzusetzen. Darüber hinaus sind Fälle bekannt, in denen Betroffene aus einer Sparkasse oder aus dem Postamt verwiesen worden sind und im Nachhinein das Handeln der Verantwortlichen von den zuständigen Gerichten bestätigt wurde.

Im Bereich der öffentlichen Verwaltung müssen Beamte und Angestellte ebenfalls weitreichende Einschränkungen der Religionsfreiheit in Kauf nehmen: Als Repräsentanten eines religiös und weltanschaulich neutralen Staates dürfen sie sich weder für noch gegen eine bestimmte Religion aussprechen. Im öffentlichen Schuldienst etwaobliegt es den Bundesländern, das Tragen von religiösen Kleidungsstücken zu reglementieren.

Der Blick nach Europa: Wie sieht es in anderen Staaten aus?

2010 hat Nicolas Sarkozy das Tragen des „voile intègral“ in Frankreich unter Strafe gestellt. Mit bis zu 150 Euro werden Verstöße von der Polizei geahndet. Doch nicht nur die Trägerin selbst kann bestraft, sondern bei zwanghafter Anordnung auch der Peiniger mit einer Haftstrafe von bis zu einem Jahr belegt werden. So wird den Opfern von unfreiwilliger Verschleierung ein Instrument an die Hand gegeben, sich rechtlich zu wehren. Auch in Belgien sind Burka und Niqab in der Öffentlichkeit untersagt. Geschätzt wird, dassdas Gesetz etwa 200 Frauen betrifft – dies entspricht 0,002 Prozent der belgischen Bevölkerung.

In Frankreich handelt es sich nach Angaben des Innenministeriums um ähnliche Größenverhältnisse. Die Bilanz nach fünfJahren Verschleierungsverbot liest sich dort recht eindeutig: Jährlich wurden im Schnitt 250 Verwarnungen ausgesprochen, von denen der Großteil auf Wiederholungstäterinnen zurückfällt. Auf die gesetzliche Möglichkeit einer Anzeige wurde lediglich einmal zurückgegriffen. Die Soziologin Agnès de Fèo kommt zu folgendem Schluss: Das gesetzliche Burka-Verbot wirke wie ein Auslöser, der bei den Betroffenen umso stärker den Wunsch hervorrufe, den Bruch mit der als „anders“ empfundenen Gesellschaft auf sich zu nehmen.

Auch aus sicherheitspolitischen Überlegungen scheint ein Burka-Verbot kaum zu legitimieren, der Radikalisierungsforscher Peter Neumann führt aus: „Mir ist kein einziger Fall bekannt, in dem ein Burka-Verbot einen Terroranschlag verhindert oder den Weg in den Terrorismus erschwert hätte“.

Weiterführende Quellen:

Steinberg, Rudolf 2015: Kopftuch und Burka: Laizität, Toleranz und religiöse Homogenität in Deutschland und Frankreich, Nomos Verlag.

Ariens Elke et.al. 2011: Glaubensfragen in Europa: Religion und Politik im Konflikt

Lies weiter bei…

Pro | Wir müssen reden

Contra | Falsche Debatte zur falschen Zeit



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