Voll couragiert!
Es kann an Courage fehlen, Courage darf man zeigen, vor der eigenen Courage wird einem vielleicht aber auch Angst und Bange. Vereinsarbeit ist sich dessen bewusst und hilft, dennoch mehr zu wagen.
„Beherztheit, Schneid, Mut, Unerschrockenheit“ – der Begriff der Courage hat viele Facetten. Sofort entstehen heldenhafte, dramatische Szenen vor dem inneren Auge. Courage zu haben bedeutet manchmal aber auch nur, in der Lage zu sein, einander herzlich zu begegnen.
Etliche Vereine, Projekte und Initiativen wollen anderen Mut machen, Kontakt tatsächlich zuzulassen. „Courage – Mut zur Menschlichkeit“ aus Wien ist so eine ehrenamtliche Organisation. Eine zur Rettung geflüchteter Menschen aus den überfüllten griechischen Lagern. „Auf unserer „Landkarte der sicheren Plätze“ finden sich mehr als 3.000 Organisationen, Pfarreien, Gemeinden und Einzelpersonen, die für die Aufnahme und Unterbringung bereitstehen“, so Katharina Stemberger, Obfrau des Vereins. Vor kurzem wurde das Konzept der „Geordneten Rettung“ vorgestellt, durch das Menschen aus Lesbos in geordneter und strukturierter Form nach Österreich in Sicherheit gebracht werden können. „Daher freuen wir uns über Menschen, die couragiert und willig sind, für asylberechtigte Menschen aus griechischen Lagern eine Unterkunft und eine Zukunft zu organisieren. Denn nur gemeinsam können wir etwas bewirken – besonders in diesen Zeiten, die so herausfordernd sind.“
Dr. Judith Kohlenberger, Migrationsforscherin an der Wirtschaftsuniversität Wien, versteht unter „couragiert“, demütig und überlegt zu handeln. „Es bedeutet nicht, sich blindlings in die Schlacht zu stürzen, sondern mit Herz und Verstand zu handeln.“ Als Gründungsmitglied des Vereins weiß sie: „Es erfordert Mut, für die Rechte der Minderheiten, Ausgegrenzten und Marginalisierten unserer Gesellschaft einzutreten. Diese sind zwar in zahlreichen Grundsatzdokumenten wie der Europäischen Menschenrechtskommission und der Genfer Flüchtlingskonvention verbrieft. Doch das Einstehen für diese Rechte ist selten populär und nicht immer mehrheitsfähig.“ Hoffnung hat Kohlenberger, weil wir „erleben, dass auch immer mehr Jugendlichen das Leid, das in Kara Tepe und anderen Lagern auf europäischen Boden passiert, nicht mehr egal ist.“ Für sie bedeutet Courage, Gleichgültigkeit zu überwinden und Selbstwirksamkeit zu erfahren.
Es braucht Unterstützung, um Courage zu geben
Das Aachener „Jugendhilfeprojekt Courage e.V.“ ringt ebenso um Sichtbarkeit und Unterstützung. „Wir haben alle Hände voll zu tun, betreuen 30 Kinder stationär. Zudem bekommen wir vier bis fünf Anfragen täglich von verschiedenen Jugendämtern. In den Zeiten der Covid19-Pandemie geht es den Familien, denen es vorher schon nicht gut ging, noch schlechter“, beschreibt es die Pädagogische Leiterin Runa Illert-Hoffmann. In den Wohngruppen versuchen die Betreuer*innen während der Ausgangssperren, die Jugendlichen 24/7 bei Laune zu halten. Keine leichte Aufgabe.
„Wir haben zu wenig Zeit, um uns darüber aufzuregen, dass wir kaum oder gar keine Hilfe bekommen haben. Masken und Desinfektionsmittel mussten wir als privater Träger aus der eigenen Tasche bezahlen“, kritisiert Illert-Hoffmann. Ihre Erklärung: Die Jugendhilfe sei schlichtweg vergessen worden. Keine Frage, das, was die Mitarbeiter*innen auch ohne die besonderen Umstände der Pandemie leisten, ist enorm und ein wertvoller gesellschaftlicher Beitrag, wird jedoch aus ihrer Sicht scheinbar für selbstverständlich genommen. „In den Medien“, sagt Illert-Hoffmann, „wurden Erzieher*innen und Lehrer*innen erwähnt. Doch die Sozialarbeiter*innen sind leider gar nicht oder kaum wahrgenommen worden, obwohl deren Unterstützung wirklich wichtig gewesen wäre!“
Im Vordergrund steht für sie nach wie vor, sich gegenseitig zu motivieren durch geteilte Werte, Verantwortung und Zuversicht. Und wann, wenn nicht in unsicheren Zeiten wie diesen, sollte man als Jugendhilfeträger Sicherheit spenden?
Mutig, engagiert, unsichtbar
Der „Courage e.V. Halle“ hingegen – ein Projekt zur Förderung von Frauenarbeit, Bildung und Kommunikation – widmet sich seit 30 Jahren feministischen Themen. Ein Schwerpunkt: Frauengeschichtsforschung und deren öffentliche Vermittlung durch das Projekt „FrauenOrte Sachsen-Anhalt“. Was damit gemeint ist, erläutert Koordinatorin Anke Triller so: „Engagierte, couragierte Frauen, die sich was trauen – ob in beruflichem, künstlerischem oder auch häuslichem Kontext – sind aus vielen Jahrhunderten bekannt, aber seltener sichtbar“.
Was Triller zufolge immer wieder betont werden müsse: „Geschichte wurde nicht nur von Männern gemacht, aber meistens von ihnen aufgeschrieben. Frauenthemen inklusive Frauenbiografien waren oft der Mühe nicht wert, sie der Nachwelt zu übermitteln.“ Geschichtsvereine, und ganz besonders die aus dem FrauenOrte-Netzwerk, suchen darum junge Mitstreiter*innen, die sich zum Mitmachen begeistern lassen. „Es soll ein Bogen von den historischen Wurzeln ins Heute geschlagen werden. Um das sowohl Einheimischen wie Zugewanderten spannend zu vermitteln.“
Zivilcourage zeigen
„Courage“ wird nicht zuletzt mit „Zivilcourage“ gleichgesetzt. Hier spielt der körperliche Einsatz eine Rolle. In die eine wie auch die andere Richtung. Immer wieder hören, sehen oder lesen wir davon: Gewalttaten auf offener Straße, am helllichten Tag – und keiner hat geholfen! Dabei animieren Schlagzeilen wie „wollte helfen und liegt jetzt im Koma“ oder „wollte helfen und muss sich nun dafür vor Gericht rechtfertigen“ nicht wirklich. Vielmehr machen sie Angst. Doch in dem Fall erlaubt der sportliche Blickwinkel eine zweite, andere Herangehensweise.
Genau da setzt Sifu Mukatder Gül, eigentlich Doktor der Philosophie und Psychologie aus Wiesbaden, mit seiner 1998 in Mainz gegründeten Wu-Te Akademie an. Aus der Kampfkunstschule für Selbstverteidigung ging der Verein „Courage e.V.“ hervor. Neben klassischen Selbstverteidigungskursen stand das Motto „Mut zur Zivilcourage“ auf dem Stundenplan. Das Ziel war früh, einem breiten Publikum vielfältige Kompetenzen sowie Verhaltens- und Handlungsmöglichkeiten an die Hand zu geben.
„Es ist nicht immer nur das körperliche Eingreifen, was hilfreich ist“, sagt Gül heute. Da der Verein mit der Zeit immer weniger Einnahmen erhielt, musste er ihn vorerst auflösen. Für ihn allerdings kein Problem. Denn zum Thema Courage dazugehört: den Mut zu haben, etwas loszulassen.