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Grenzerfahrung Europa

Von Steffen Haake / 16. Mai 2019
picture-alliance / dpa | epa CTK Meljnkova

Tagebuch schreiben ist was für Jugendliche, richtig? Falsch. Als Reisebericht getarnt dürfen auch Erwachsene wieder ran. Denn manche Erfahrungen muss man einfach festhalten. Und teilen.

Junge Europäische Föderalisten, kurz JEF, nennen sie sich und das sind sie auch. Immer auf der Suche nach Wegen, Europa zu vereinen. #EuropaMachen heißt die Kampagne, mit der die Aktivisten für die Wahl des Europäischen Paralaments in diesem Jahr mobilisieren wollen und die das Netzwerk Ende April/ Anfang Mai unter anderem an die deutsch-polnische Grenze geführt hat. Mit einem Kleinbus war das Kernteam bestehend aus Stefanie und Steffen insgesamt fast drei Wochen lang von Ostfriesland bis Bayern unter dem Motto #GrenzenlosEuropäisch unterwegs.

Neben den Eindrücken, die beide in über 15 deutschen Städten bei Begegnungen mit der lokalen Bevölkerung und anderen Aktivisten gesammelt haben, berichtet Steffen hier zusätzlich von dem Kontakt zu unseren europäischen Nachbarn jenseits der Oder.

Polnisches Grenzgebiet in der Nähe von Schwedt/Oder

Endlich startet die #GrenzenlosEuropäisch-Bustour! Mit der Hilfe von Laura und Georg aus dem JEF-Bundesvorstand, die Übernachtungsplätze und Partner für uns organisiert haben, wollen Steffi und ich in 15 deutschen Grenzstädten Halt machen und mit so vielen Menschen wie möglich über die anstehende Europawahl ins Gespräch kommen. Von Aurich ging’s heute aber erstmal nach Berlin zum Beladen des Busses mit Infomaterialien und einem Aktionsstand in Greifswald los. Nach einer Nacht im Kloster Zehden, wo wir mit den Mitarbeitern über Europa ins Gespräch kamen, weiter Richtung Schwedt/Oder – immer entlang der deutsch-polnischen Grenze.

Gespräch mit Frauen in Cedynia, grenznahe Stadt in Polen

Von Schwedt aus fahren wir über die Oder nach Polen. Sofort merken wir einen Unterschied an Straßen und Häusern. Über diese “Hoppelpiste“, wo sich Ferkel und Fuchs über den Weg laufen, gelangen wir durch dichten Wald in die Kleinstadt Cedynia. Auffällig sind die vielen deutschsprachigen Schilder für Zigaretten und Anzüge. Doch Deutsch kann hier scheinbar niemand. Auch Englisch nicht. Ohne Google Translator gelingt es kaum, uns mit den Menschen auf der Straße zu verständigen, obwohl wir weniger als 20 Kilometer von der Grenze entfernt sind. So ergeht es uns auch beim Gespräch mit zwei Frauen, die aber scheinbar noch nicht von der Wahl gehört hatten. Recht ernüchtert fahren wir nach Eberswalde, wo zwar keine akute Sprachbarriere besteht, es aber manches Mal dennoch unmöglich scheint, über das Wählengehen zu sprechen.  

Engagierter 14-Jähriger mit eigenem YouTube-Kanal 

An einem unserer Aktionsstände treffen wir auf einen 14-jährigen Jungen, der seinen eigenen YouTube-Channel betreibt. Dort hat er unter anderem die Diskussionen um Artikel 13 der europäischen Urheberrechtslinie mit mehreren Beiträgen begleitet – wir sind von so viel Engagement im jungen Alter total begeistert! Auf eine unserer GiveAway-Karten schreibt er: „Ich mache Europa digital“. Wir lernen weitere Kinder kennen, die sich für die Umwelt und insbesondere die FridaysForFuture-Streiks interessierten. Bei unserem Glücksrad, bei dem man die Flaggen den EU-Ländern zuordnen muss, schneiden die Jüngsten im Schnitt am besten ab.

Briten, Iren und Deutsche “in love“

Auf unserer Reise kommen wir nicht nur mit polnischen Nachbarn ins Gespräch, sondern auch mit einigen anderen Nationalitäten. So nutzen britische Touristen in Eberswalde die Gelegenheit, sich vor uns zu Europa zu äußern. Ob sie wählen sollen oder nicht, umtreibt sie, schließlich bleibe GB nicht mehr lange in der EU. Wir können sie überzeugen, dass momentan alles unsicher und daher ein Gang zur Wahlurne durchaus sinnvoll sei. Immerhin hoffen wir, dass das Königreich in der Union verbleibt. Auch ein irisch-deutsches Ehepaar gelangt zu unserem Stand. Kennengelernt haben sie sich online, über ein Internetspiel. Für sie gilt das Motto der JEF: „Europe united – we will never be divided!“

Unterwegs in einer Fußgängerzone von Frankfurt/Oder

Mit dem Tourbus in der Fußgängerzone? Für Europa geht auch das 🙂 In Frankfurt/Oder nähert sich eine multikulturelle Freundesgruppe. Die 14- bis 17-Jährigen lassen sich durch unser Europa-Glücksrad auf eine Diskussion über Europa ein. Kurze Zeit später, als ich im Bus eine Runde Kaffee koche, sehe ich, dass die Jugendlichen zurückkommen, um ihr Obst mit Steffi zu teilen. Diese kleine Geste hat unser beider #EuropaMacher-Herz erwärmt.

Peruaner engagiert für europäische Integration

Während uns an diesem Tourtag Magali, ein Mitglied der JEF, am Aktionsstand unterstützt, kommt Ruben Gonzalez, ein peruanischer Student, vorbei. Das Erste, was er sagt, ist, dass er zwar kein Europäer, aber begeistert vom europäischen Einigungsprozess sei. Wir erfahren, dass auch er sich als #EuropaMacher einsetzt, indem er das „MAX Mitmach-Projekt“ vom Brandenburgischen Staatsorchester an der Europa-Universität Viadrina organisiert. Dabei handelt es sich um ein internationales Musikprojekt am 27. Juni, zu dem er uns einlädt.

Provisorische Brücke an der Oder-Neiße-Linie

Wir besuchen am 1. Mai das Dreiländereck bei Zittau. Die Stadt bewirbt sich als europäische Kulturhauptstadt 2025. Dort grenzen Deutschland, Tschechien und Polen an die Neiße. Doch gibt es noch keine dauerhafte Brücke zwischen Deutschland und Tschechien: Grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte gestalten sich schwierig, wie man an der noch nicht fertiggestellten, grenzüberschreitenden Bundesstraße und Eisenbahnschnellverbindung erkennt. Das Technische Hilfswerk hat anlässlich der Feierlichkeiten zur 15-jährigen Mitgliedschaft Tschechiens und Polens in der EU immerhin eine übergangsweise aufgestellte Behelfsbrücke aufgebaut.

Bier trinken verbindet: Zusammenhalt gegen Rechts

Beim sogenannten Demokratiefest in Zittau überwinden die drei Kulturen sämtliche Grenzen und feiern miteinander. Die Besucher genießen landesspezifische Spezialitäten, speziell tschechische Biere. Hier können Tschechen und Polen oft recht gut Deutsch sprechen und spätestens bei einem Pils kommen sowieso alle Europäer unter ihnen zusammen. Wir erfahren, dass man in dieser Region zum Essengehen gerne ins Nachbarland fährt und sich zur Naherholung am See auch jenseits der Grenzen begibt. Ob jung oder alt, die Menschen auf dem Fest sind sehr proeuropäisch gesinnt und betonen den Zusammenhalt. Obwohl zugleich in Zittau eine Hochburg rechter politischer Kräfte besteht, verlassen wir die Region mit einem Gefühl der Hoffnung.

Fotos: Steffen Haake/ JEF

Zusätzliche Infos:

vgl. https://europamachen.eu/grenzenloseuropaeisch-bustour/ https://europamachen.eu/grenzenloseuropaeisch-bus-rollt-weiter/

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