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Nichts als schlechtes Klima

Von Julian Schwartzkopff / 21. Juli 2016
picture alliance / SZ Photo | Alessandra Schellnegger

Nach vielversprechenden Anfängen ist die EU-Klimapolitik ins Stocken geraten. Der Brexit droht, die Lage zu verschlimmern. Es ist jetzt an Deutschland und anderen progressiven Mitgliedstaaten, die europäische Klimapolitik auf Kurs zu halten.

Der Klimawandel hält sich nicht an Staatsgrenzen. Steigende Meeresspiegel, schmelzende Poleiskappen sowie Extremwettereignisse wie Flutkatastrophen und Dürren betreffen uns alle. Die Erderwärmung stellt die globalisierte Welt vor enorme wirtschaftliche und sicherheitspolitische Herausforderungen.

Die EU ist mit ambitionierten Zielsetzungen in die Klimaverhandlungen von Kopenhagen und Paris gegangen. Produktstandards, Energielabels, ein Emissionshandelssystem sowie die Verpflichtung, 20 Prozent des EU-Haushalts für Klimaschutz auszugeben, gehören zum klimapolitischen Instrumentarium der EU. Ergänzt wird dieses durch verschiedene Fördersysteme für erneuerbare Energien in den einzelnen Mitgliedstaaten. Insgesamt ist es Europa damit in den vergangenen zehn Jahren gelungen, die Treibhausgasemissionen um 17 Prozent zu senken – bei einem gleichzeitigen Wirtschaftswachstum um 27 Prozent.1

Großbritannien hat sich bislang an vorderster Front für die Klimapolitik engagiert und einen wesentlichen Beitrag zu den bisherigen Erfolgen geleistet. Deshalb droht der Brexit, die europäische Klimapolitik über den Haufen zu werfen.

Verhärtete Fronten

Die europäische Klimapolitik ist bereits Anfang dieses Jahres ins Stocken geraten. Die Europäische Kommission will auf das Pariser Klimaabkommen nicht mit einer Verschärfung der Zielvorgaben reagieren. Dabei sieht das Abkommen mit dem Ziel, den Klimawandel auf „weit unter 2°C“ zu begrenzen, einen stärkeren Reduktionspfad vor als die EU.

Hintergrund dieser Verlangsamung ist eine veränderte politische Dynamik im Rat der EU. Zwischen den Mitgliedstaaten herrschen sehr unterschiedliche Vorstellungen zur Klimapolitik. Gegenüber den progressiven Mitgliedstaaten – wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Skandinavien – hat sich eine Gruppe von osteuropäischen Mitgliedstaaten herauskristallisiert, die Fortschritte in der EU-Klimapolitik mit aller Macht bekämpfen.

Dabei geht es um knallharte politische und wirtschaftliche Interessen der „Visegrád 4“-Gruppe um Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei. In weiten Teilen Osteuropas sanken die Treibhausgasemissionen. Vor allem aber durch den Konkurs ganzer Wirtschaftszweige nach dem Zusammenbrechen der Sowjetunion. Eine echte Emissionsreduktion auf Basis einer Modernisierung der Wirtschaft sieht anders aus.

Insbesondere die Abhängigkeit von Kohle ist im Osten noch immer beeindruckend. Polen beispielsweise bezieht mehr als 80 Prozent seines Stroms und mehr als die Hälfte seiner Wärme aus der Kohleverbrennung. Beim Klimaschutz sehen die „Visegrád 4“-Staaten vor allem die kurzfristigen Kosten, nicht den langfristigen Nutzen. Die Wahl der klimawandelskeptischen und rechtspopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) 2015 hat die Fronten noch verhärtet.

Wenig Platz für Klimapolitik

Die Zeichen für eine ambitionierte Umsetzung des Pariser Klimaabkommens standen also schon vor der Volkstabstimmung in Großbritannien nicht gut. Mit dem Brexit fällt nun eine der einflussreichsten Stimmen für stärkeren Klimaschutz weg. Im Europäischen Rat, wo Kompromisslösungen ohne formalrechtliches Votum die Norm sind, wird der Machtverlust am Deutlichsten zu spüren sein.

Dabei sollte 2016 in den Worten des EU-Energiekommissars Maroš Šefčovič eigentlich das „Jahr der Umsetzung“ werden.2 Heißt: Die EU muss noch deutlich nachlegen, um die Klimaziele für 2030 zu erreichen. Für dieses und nächstes Jahr stehen diverse Gesetzespakete auf der Agenda, inklusive Reformen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie, des Emissionshandelssystems sowie Maßnahmen im Bereich Infrastrukturfinanzierung und Strommarktdesign.

Während die Europäische Kommission eisern am Zeitplan festhält, sind enorme Probleme in der praktischen Umsetzung zu erwarten. Insbesondere droht die Gefahr, dass der Brexit in Verbindung mit der Flüchtlingskrise auf der Agenda wenig Platz für Klimapolitik lässt. Es ist gut möglich, dass bei Tragweite und Effektivität der Reformen Abstriche gemacht werden müssen, um überhaupt einen Kompromiss zu erzielen. Nicht zuletzt, weil das Wegfallen der britischen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2017 ist ein herber Verlust darstellt.

Um zu verhindern, dass die EU-Klimapolitik ein Kollateralschaden des Brexit wird, muss vor allem die deutsch-französische Achse um neue strategische Partner erweitert werden. So betonten vergangene Woche die Außenminister Frankreichs, Deutschlands und Schwedens in einer gemeinsamen Erklärung die Klimapolitik als ein Kerngebiet der zukünftigen Zusammenarbeit.

1 http://ec.europa.eu/eurostat/

2 http://europa.eu/rapid/press-release_SPEECH-16-424_en.htm

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