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Die EU nehme ich nicht ernst

Von Jonas Jordan / 11. Oktober 2015
Foto: Lea Bienhaus

Es ist die Kultfigur Brüssels, der Prominente schlechthin: Manneken Pis. Trotz eines unschätzbar vollen Terminkalenders und einer stetigen Aufgabe im Herzen der europäischen Hauptstadt nahm er sich Zeit für ein fiktives Interview und sprach über nervige Touristen und seine Meinung zur EU.

sagwas: Manneken Pis, Sie stehen …

Manneken Pis: Du kannst ruhig Du sagen. Ich pfeife auf Konventionen.

Daher auch keine Kleidung?

In der Regel schon kleidungslos, aber manchmal kommen Leute vorbei und stecken mich in seltsame Verkleidungen. Das ist schon an Karneval bescheuert, im restlichen Jahr natürlich noch mehr.

Wieso sprechen Sie eigentlich…

Du!

Okay, entschuldige. Wieso sprichst su eigentlich so gut Deutsch?

Naja, wieso wohl?

Keine Ahnung. Sag du’s mir!

Woher kommen wohl diese ganzen Touristen, die Tag für Tag Fotos – neuerdings vor allem Selfies – mit mir machen wollen? Gut, viele Amerikaner sind auch dabei. Wie oft habe ich schon „Oh my god! It’s so cute“ gehört? Ein für alle Mal: Nein, ich bin nicht süß.

Was bist du dann?

Der personifizierte Protest gegen Obrigkeit und Besatzungsherrschaft.

Aber hat sich das nicht inzwischen abgenutzt? Bist du inzwischen nicht nur noch eine austauschbare Touristenattraktion?

Dagegen wehre ich mich energisch!

Aber ganz ehrlich: Wer von den vielen tausend Touristen weiß denn heutzutage noch, wofür du eigentlich stehst?

Mmh. (wirkt nachdenklich) Da hast du wohl Recht.

Also?

Also was?

Erkläre doch mal bitte, wieso du Tag für Tag mitten in Brüssel stehst und pinkelst!

Puh, das ist eine lange Geschichte.

Jean-Claude Juncker wollte angeblich letztes Jahr vorbeikommen, traute sich aber wohl doch nicht.
Jean-Claude Juncker wollte angeblich vergangenes Jahr vorbeikommen, traute sich aber wohl doch nicht. (Foto: Jonas Jordan)

Wir haben etwas Zeit.

Gut, dann hole ich mal ein wenig aus. Also, es war im Jahre 1619. Da gab der Magistrat der Stadt Brüssel dem Künstler Jerome Duquesnoy den Auftrag, eine Figur zu schaffen, die fortan Petit Julien genannt wurde. In den folgenden Jahren hatte ich eine sehr bewegte Geschichte. 1745 wurde ich von den Engländern entführt, zwei Jahre später von den Franzosen. 1817 raubte mich ein Ganove.

Entschuldige, gibt’s da nicht vielleicht doch eine Kurzform davon?

Wie kurz darf’s denn sein?

Einen Meter?

Häh?

Das war ein Witz! Vielleicht so in zwei, drei Sätzen.

Kurz gesagt: Ich symbolisiere die Respektlosigkeit der Brüsseler gegen jede Form von Obrigkeit.

Also auch gegen die Europäische Union?

Ach die! (lacht) Da weiß man doch nicht einmal, gegen wen man sich auflehnen soll. Gegen Juncker? Gegen Schulz? Gegen Merkel? Die nehme ich nicht ernst.

Haben Sie einen der drei schon mal kennengelernt?

Es hieß vergangenes Jahr mal, Juncker wolle vorbeikommen, aber dann hat er sich wohl doch nicht getraut. Oder den Weg nicht gefunden.

Hätten Sie denn nicht Lust, auch mal im Europaviertel zu pinkeln?

Ach, nee. Da sind mir zu viele Anzugträger unterwegs. Das ist nicht so mein Fall.

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