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Die Zukunft der EU

Von Jonas Jordan / 10. Oktober 2015
Foto: Jonas Jordan

Wird, soll und darf es die EU in 50 Jahren noch geben? Darüber streiten Aktivisten, Journalisten und Kommissionsmitarbeiter. In jedem Fall bedarf es Reformen und einer stärkeren Beteiligung der Bürger.

„Die Europäische Union ist in der schwersten Krise ihrer Geschichte. So wie es im Moment läuft, kann es nicht mehr lange gut gehen“, sagt Eric Bonse. Der Journalist arbeitet seit 2004 in Brüssel. Er betreibt den erfolgreichsten deutschsprachigen Watchblog [su_permalink id=“http://lostineu.eu/“ target=“blank“]Lost in Europe[/su_permalink].

Er selbst fühle sich zunehmend verloren. „Als ich 2004 nach Brüssel kam, war das noch die gute alte Zeit mit 15 Mitgliedsländern.“ Damals hätten Deutschland und Frankreich als führende Länder Orientierung geboten. „Heute wissen wir nicht mehr, wo wir stehen und wo es mal hingehen soll“, klagt Bonse.

Ähnlich kritisch beurteilt Ioan Bucuras die Arbeitsweise der EU. „Die Europäische Union ist eine hybride Konstruktion. Keine Föderation, sondern eine Ansammlung von Ideen und Mitgliedstaaten, die nicht notwendigerweise als Einheit agieren.“ Der gebürtige Rumäne ist seit gut einem Jahr Generealsekretär der Young European Federalists (JEF).

JEF-Generalsekretär Ioan Bucuras spricht im Interview über seinen Traum von einem föderalen Europa.
JEF-Generalsekretär Ioan Bucuras spricht im Interview über seinen Traum von einem föderalen Europa.

Trotz aller Kritik versuche seine Organisation, die Bucuras als „eine der ältesten und prominentesten pro-europäischen Organisationen für die Idee eines föderalen Europas“ bezeichnet, mit Aktionen und Bildungsarbeit die Errungenschaften der europäischen Einheit hervorzuheben. „Wenn wir vor einigen Jahren jemandem aus Finnland gesagt hätten, du kannst nach Portugal gehen, dort studieren und mit deiner Währung bezahlen, er hätte uns für verrückt erklärt. Aber dafür ist JEF schon damals eingetreten.“

Ruf der Kommission ist verbesserungswürdig

Für die Zukunft wünscht Bucuras sich, die EU noch näher zu den Menschen zu bringen. Diesem Wunsch kann sich auch Simon Holland anschließen. Der Brite arbeitet für die Kommunikationsabteilung der Europäischen Kommission. Vor allem der Ruf der Kommission sei aus seiner Sicht verbesserungswürdig. „Viele Menschen verstehen die gesamte Architektur nicht.“ Zudem sei es unter den Staats- und Regierungschefs sehr populär, die Schuld für unliebsame Entscheidungen auf die Kommission zu schieben.

Diese Selbstreflexion ist auch Bonse aufgefallen. „Neu ist, dass die Kommission mit ihrer Rolle hadert“, sagt Bonse. Gleichzeitig legt er den Finger in die Wunde und fordert: „Viele Strukturen, die Brüssel und die EU haben, sind überholt. Da muss man wirklich tiefgreifend reformieren – ich sehe diese Pläne im Moment nicht.“

Simon Holland arbeitet seit 25 Jahren in der Kommission. Vor einem Jahr erlebte er die tiefgreifendste Reform seines Brüsseler Berufslebens, die Umstrukturierungen, die Jean-Claude Juncker nach seinem Amtsantritt vornahm. Statt flacher Hierarchien baut der Luxemburger darauf, dass nun einige Kommissare gleicher sind als andere: Zwar haben weiterhin alle 28 Kommissare gleiches Stimmrecht. Doch mit Frans Timmermans gibt es seit November vergangenen Jahres einen Ersten Vizepräsident sowie fünf weitere Vizepräsidenten, die neben ihrer eigentlichen Arbeit als Kommissare die Arbeit der 28 „Silos“ koordinieren sollen.

Zudem sind nach Hollands Ansicht weitere Anstrengungen notwendig, um für mehr Offenheit und Transparenz zu sorgen und die Interessen der Bürger stärker einzubeziehen. Die Bürgerinitiative für das Recht auf Wasser sei ein herausragendes Beispiel dafür, wie ein Thema auf die Agenda der Kommission gesetzt worden sei.

TTIP nicht für basisdemokratisches Engagement geeignet

Die Bürgerinitiative gegen TTIP schließt der Brite von dieser Argumentation ausdrücklich aus. Hier überwögen die Argumente für das Abkommen. Es sei die Aufgabe der nationalen Regierungen, dies den Bürgern deutlich zu machen. Auch diene in diesem Fall eine europäische Öffentlichkeit der Sache nicht.

Der Anteil Europas an der Weltbevölkerung gehe in jedem Fall zurück – und damit womöglich auch der wirtschaftliche Einfluss des Kontinents. Daher sei es notwendig, mehr Demokratie zu schaffen, so Holland. „Es gibt mehr und mehr Zugang zu Informationen. Möglicherweise sind gewisse Strukturen in fünfzig Jahren überflüssig.“

Darauf hofft Ioan Bucuras. Er tritt ein für ein „Europa der Regionen“, einer Föderation mit mehreren Entscheidungsebenen und lokalen Autoritäten. „Wir möchten den Menschen keine Angst machen, dass sie ihre Kultur und Identität verlieren, sondern das gemeinsam mit der europäischen Einheit pflegen.“ In fünfzig Jahren soll es, so sein Wunsch, die Europäische Union nicht mehr geben. Stattdessen solle es eine Föderation europäischer Staaten geben.

Journalist Eric Bonse meint, in dieser Form werde es die EU in fünfzig Jahren auf keinen Fall mehr geben. „Vielleicht trägt sie noch den Namen, aber sonst ist vermutlich nicht mehr viel übrig, wenn wir nicht aufpassen.“ Er plädiert für eine grundlegende Reform der Wirtschafts- und Sozialpolitik, um den Sozialstaat zu erhalten. „Wir brauchen ein soziales Europa und ein politisches Europa – eine demokratisch gewählte Kommission mit Bürgerbeteiligung.“

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